Ikigai: Was es ist und was es mit dem beruflichen Purpose zu tun hat.

Du hast sie sicher schon gesehen: Vier Kreise, die sich überschneiden. In der Mitte: „Ikigai“. Das Modell ist inzwischen so weit verbreitet, dass viele denken: „Ah ja – das ist doch dieses traditionelle japanische Prinzip!“ Es lebt in unseren Köpfen direkt neben Kintsugi - der traditionellen japanische Reparaturmethode für Keramik durch Gold.

Aber ist Ikigai wirklich ein altes philosophisches Konzept aus Japan, das in 4 Kreise gegossen wurde?

Die kurze Antwort lautet: nein. Das beliebte vierkreisige Ikigai Diagramm, wie es heute durch das Internet geistert, ist eine westliche Erfindung – etwas das  lebt zwischen starkem Meme und (wenn du uns fragst) Coaching Tool, aber weit entfernt von dem, was das japanische Konzept Ikigai tatsächlich bedeutet. In diesem Artikel erfährst du, woher das Missverständnis kommt, was Ikigai wirklich bedeutet – und warum wir bei Sinnfinden Academy bewusst vom Purpose Diagramm sprechen.

Was zeigt das Ikigai Diagramm?

Die populäre Grafik setzt sich aus vier Fragen zusammen:

  • Was liebst du?

  • Worin bist du gut?

  • Was braucht die Welt?

  • Wofür kannst du bezahlt werden?

In der Mitte – dort, wo sich alles überschneidet – steht: Ikigai. Die ganze Welt spricht vom traditionellen japanischen Konzept.

Doch diese Darstellung hat keinen Bezug zur japanischen Kulturgeschichte. Die vier Bereiche stammen nicht aus klassischen Texten oder philosophischen Konzepten aus Japan. Es gibt keine Quelle, die Ikigai in dieser Form beschreibt. Das sagt nicht nur ich – das sagt auch ein Dr. David Atherton, Harvard-Professor für Ostasienstudien.

Was Ikigai wirklich bedeutet

Das Wort Ikigai ist eine moderne Wortschöpfung – zusammengesetzt aus:

  • iki = Leben / Art zu leben

  • gai = Wirkung, Effekt

Im klassischen Japanisch wurde „gai“ früher eher negativ verwendet – etwa in gai nashi („sinnlos, vergeblich“). Erst im 20. Jahrhundert tauchte „Ikigai“ in einem positiven Kontext auf – als eine Art: „Es ist gut, dass ich geboren wurde“. Also nicht als Ziel oder Berufung, sondern als ein subjektives positives Lebensgefühl: Mein Leben hat Wert.

Ikigai bedeutet heute so viel wie raison d’être in der westlichen Welt– ein Grund, morgens aufzustehen. 

Der medizinische Ursprung von Ikigai

Interessanterweise wurde Ikigai nicht im Kontext von Selbsthilfe oder Psychologie bekannt – sondern in der Medizin.

In den 1920er-Jahren entwickelte ein japanischer Arzt ein Modell namens Ikigai Ryoho – die „Ikigai-Therapie“. Er behandelte krebskranke Menschen und stellte fest: Angst und Hoffnungslosigkeit verschlechtern den Gesundheitsverlauf. Seine Idee war, Patient:innen zu ermutigen, wieder einen Sinn im Leben zu finden – trotz Krankheit. Sie sollten sich sagen: „Mein Leben hat Wert. Ich will es aktiv gestalten.“

Später griffen andere Mediziner diese Idee auf. In den 1980er-Jahren begannen Patient:innen sogar, Berge wie den Mont Blanc oder den Fuji zu besteigen. Das war ein symbolischer Akt, der sagte: „Ich lebe noch, und ich lebe voll.“

Diese Haltung verbreitete sich – und vielleicht war das der Moment, in dem Ikigai langsam zur  Popkultur in Japan diffundierte.

Wie kam Ikigai in die Purpose Diagramm Welt?

Den uns bekannten Weg haben wir hier beschrieben. 2012 war es da und 2014 wurde es zum hundertausendfach geteilt.

Was wir  wissen: Die vier Kreise (Leidenschaft, Können, Sinn und Einkommen) sind ein westliches Coaching-Modell. Sie sind nicht falsch – aber sie stammen nicht aus der Ikigai-Tradition.

Warum wir von Purpose sprechen – und nicht von Ikigai

Im Coaching bei Sinnfinden Academy sprechen wir bewusst von Purpose, nicht von Ikigai.
 Unser Purpose-Diagramm basiert auf einem westlich-philosophischen Denkrahmen (u. a. geprägt durch die Lehren von Aristoteles, Platon, moderner Sinnforschung) – und ist ein Werkzeug, mit dem du systematisch an deinem beruflichen Sinn arbeiten kannst.

Purpose verstehen wir als:

  • Zustand statt Ziel

  • etwas, das du erleben kannst, wenn du deine Stärken, deine Sehnsucht, deinen Beitrag und dein Einkommen in Einklang bringst

  • eine Orientierung, die sich entwickeln darf – statt etwas, das man „findet und fertig“

Fazit: Mehr Klarheit, weniger Klischees

Ikigai ist ein schönes Wort, eine starke, kraftgebende Einstellung. aber kein Coaching-Tool.
Das Purpose-Diagramm ist ein hilfreiches Modell – aber kein fernöstlicher Weisheitscode.

In der Purpose-Arbeit geht es nicht um Exotik, sondern um Relevanz, Integrität und Wirksamkeit. Wir laden dich ein,  bewusst deinen Lieblingsbegriff zu wählen, welcher es auch immer ist.

Wenn du mehr über die Ausbildung zum Purpose Coach wissen möchtest, hier geht’s lang.

Anaïs Bock

Anaïs Bock is a transformational facilitator, speaker, and executive coach who helps top leaders navigate complexity with clarity, courage, and heart. With a background in organisational psychology, she brings rare depth to conversations that matter—whether in the boardroom or around the firepit.

Anaïs is known for her ability to surface what’s unsaid, reframe tension as creative potential, and turn vulnerability into vision. Her work weaves together deep emotional intelligence, strategic insight, and a touch of irreverent humour that invites transformation without theatrics. She has coached and advised executives across industries and countries, with a special affinity for leaders in transition, business mavericks and those carrying family legacies.

As co-founder of Let’s Work Magic, Anaïs designs top team offsites, keynotes, and coaching programs that don’t just inspire—but catalyse lasting change.

Anaïs is also the co-founder of Sinnfinden Academy, a coaching school that trains purpose coaches to support others in discovering and living their unique calling.

https://www.letsworkmagic.com
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Was ist Purpose Coaching – und worin unterscheidet es sich vom klassischen Karriere-Coaching?

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Woher kommt das Purpose-Diagramm eigentlich?